Vor 150 Jahren konnte dank der Solidarität der reformierten Gemeinschaft in der Schweiz die reformierte Kirche Freiburg gebaut werden. Diese zeugt auch von dem raschen Wachstum der Kantonshauptstadt. Anlässlich ihres Jubiläums wird ihr zu Ehren ein Vortrag von «Passeurs d’archives Sàrl» organisiert.
Am Donnerstag, 30. Oktober 2025, wird die Kirche für Geschichtsinteressierte ihre Geheimnisse lüften. Nachdem der Historiker Florian Defferrard und die Historikerinnen Florence Bays und Christine Fracheboud vom Unternehmen «Passeurs d’archives» im vergangenen Frühling das Archiv der Reformierten Kirchgemeinde Freiburg sortiert haben, stellen sie dem Publikum das Ergebnis ihrer Nachforschungen vor. Sie werden an das gesellschaftliche und geschichtliche Umfeld dieses Gebäudes, das heute mitten in der Stadt steht, erinnern. Dank dem Gespräch mit Florence Bays erhalten die Leserinnen und Leser von Auf dem Weg einen Vorgeschmack dessen, was sie am Vortrag entdecken können.
– Am 1. November wird die reformierte Kirche 150 Jahre alt. Das ist nicht viel für ein Gotteshaus. In welchem geschichtlichen Umfeld wurde sie erbaut?
Florence Bays: Es stimmt, das ist wenig, aber im 19. Jahrhundert waren die Reformierten eine Minderheit in einem katholischen Kanton wie Freiburg. Die Ursprünge der Kirchgemeinde gehen auf 1836 zurück. Ein sehr bescheidener alter Stall an der Murtengasse wurde in eine Kapelle umgewandelt. Sie wurde 1837 eröffnet. Da die reformierte Gemeinschaft im Kanton grösser wurde, schuf der Sensebezirk die Kirchgemeinde St. Antoni. Die heutige Kirche wurde für die Bedürfnisse der Reformierten, die in der Stadt Freiburg wohnten, erbaut. Damit gewannen sie eine gewisse Sichtbarkeit. Bei der eidgenössischen Volkszählung von 1860 zählte der Kanton 15’522 Reformierte.
– Welche Besonderheiten weist die Kirche auf?
Die Kirche konnte dank der Solidarität der Reformierten aus der ganzen Schweiz finanziert werden. Die Kirchgemeinde erwarb ein Grundstück, das der Gemeinde gehörte. Ab 1870 lancierte die Kirchgemeinde einen Architekturwettbewerb, bei dem 26 Projekte eingereicht wurden. Das Gebäude musste nüchtern und würdig sein. Das Budget war auf 80’000 Franken begrenzt. Die Genfer Architekten Bourrit und Simmler, die Sieger des Wettbewerbs, führten das Projekt aus. Aber die Fundamente wurden über einem Graben erbaut. Der instabile Baugrund führte zu Mehrkosten. Die Reformierten von ausserhalb der Stadt und des Kantons führten deshalb eine Kollekte durch. Diese Solidarität bildet einen interessanten Aspekt des
Baus der Kirche.
– Heute steht die Kirche an einem strategischen Ort im Stadtzentrum. War das vor 150 Jahren auch so?
Am Ende des 19. Jahrhunderts verstädterte Freiburg. Mit der Ankunft der Eisenbahn entwickelte sich das Bahnhofquartier. Die Stadt eröffnete grosse Baustellen um der geografischen Ausdehnung und dem Bevölkerungswachstum zu begegnen. Zu Beginn der Verstädterung befand sich die gut sichtbare Kirche nicht im Stadtzentrum. Es brauchte ein bisschen
Zeit, um die Unterstadt mit diesem neuen Quartier zu verbinden. Der Bau der reformierten Kirche fiel mit der Verdichtung und der Modernisierung Freiburgs zusammen. Dieser Ort erfuhr mehrere Veränderungen. Er wurde gewissermassen Opfer der Verdichtung. Man vergisst beinahe, dass es eine reformierte Kirche gibt.
– Was darf das Publikum, das an Ihren Vortrag kommt, erwarten?
Unser Vortrag stützt sich auf bereits realisierte wissenschaftliche Veröffentlichungen und Arbeiten. Unsere Forschungen werden mit unserer Arbeit zu den Archiven der Kirchgemeinde, der Gemeinde und des Kantons ergänzt. Fotos, Pläne, Auszüge aus Briefwechseln werden vorgeführt. Das Ziel besteht darin, den Archiven eine Stimme zu verleihen. Wir werden auch versuchen, eine Verbindung zwischen der Geschichte der Stadt und derjenigen der Kirchgemeinde herzustellen.
Martine Machy
Übersetzung: Andreas Schor
Foto: Fribourg, Tour Henri et Temple protestant – BCU Fribourg, Fonds Pro Fribourg – Bourgarel